Tag 6 auf dem Schwarzwald-Querweg, der dank originellen Wetters zum Kreuz-und-Quer-Weg geworden war. Deshalb stand für heute das Teilstück von Etappe 3 auf dem Plan, das wir drei Tage zuvor aufgrund der Wetterbedingungen per Auto statt per pedes zurückgelegt hatten — jetzt aber in umgekehrter Reihenfolge.
Konkret hieß das: Nach dem Frühstück in der Schattenmühle flußaufwärts durch die Wutachschlucht ins Örtchen Kappel. Dann immer weiter nach oben zum höchsten Punkt des ganzen Querwegs, dem Hochfirst. Von dort sollte es ziemlich direkt und ziemlich steil hinab gehen nach Titisee; anschließend per Zug und Bus zurück nach Blumberg.
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Schattenmühle — Wutachschlucht — Haslachmündung
Direkt bei der Schattenmühle warteten einige Höhenmeter auf uns — eine gute Idee, falls die Wanderkleidung für die frischen Morgentemperaturen doch etwas zu optimistisch gewählt ist. So verlässt man relativ schnell das Niveau des Wassers und kann es bald nur noch hören, aber selten sehen.
Bald tritt man sogar komplett aus der Schlucht heraus und stapft über eine sonnige Wiese — in der Gewissheit, dass man die erarbeiteten Höhenmeter wieder hergeben und in die Tiefe hinabsteigen muss. Insgesamt ist dieser Abschnitt der Wutachschlucht über weite Strecken weniger beeindruckend als gestern: Breite Forstwege im Wald, irgendwo ein Fluss, das könnte genauso gut auch ein „ganz normales“, x-beliebiges andere Tal sein.
Umso eindrucksvoller sind dann punktuelle Highlights:
- Das „Räuberschlössle“ hoch oben über der Talsohle mit respekteinflösendem Blick in die Tiefe
- Das Kraftwerk Stalleg als ältestes badisches Flusskraftwerk, mit dessen Strom der Fürst zu Fürstenberg einst sein Schloss in Donaueschingen illuminierte
- Die Stallegger Tanne, über 250 Jahre alt und (lt. Tafel, wir haben nicht nachgemessen) 52 Meter hoch
- Der Zusammenfluss von Haslach und Gutach, aus dem die Wutach entsteht.
Dieser Geburtsort der Wutach war ein angemessenes Ambiente für eine erste Pause.

Variante zum Rechenfelsen
Kurze Zeit später darf der Querweg-Wanderer wählen: Auf einem Forstweg stupide weiter nach oben oder auf einer Variante (Zitat: „Schmaler Pfad!“) entlang zum Rechenfelsen. Wir wählten letzteres, um dem Ende (bzw. dem Anfang) der Wutachschlucht noch etwas Pepp zu geben.
Und tatsächlich hatte die Strecke Pepp: Ein wirklich schmaler Pfad am Berghang, tief unten sieht man das Wasser rauschen, hoch aufragende Aussichtspunkte und der Rechenfelsen, der den Flusslauf beinahe abschnürt — es bleibt kein Zweifel, woher er seinen Namen hat. Von dort aus geht die Variante als Zickzack-Direttissima höher und höher, um sich wieder mit dem Nicht-Varianten-Fahrweg zu treffen.
Rückblickend stellten wir fest, dass unsere Etappen-Verschieberitis eine gute Entscheidung war: Die Pepp-Variante war jetzt weitgehend trocken und problemlos begehbar. Am eigentlich vorgesehenen Montag wäre es nach drei Tagen Dauerregen eine unverantwortlich leichtsinnige Rutschpartie geworden. Ich hätte dankend verzichtet, zumal die Strecke hier deutlich weniger gesichert ist als im harmloseren unteren Teil der Wutachschlucht.
Kappel

Seit der Schattenmühle lagen zahlreiche Höhenmeter hinter uns, bis zum Hochfirst sollten noch weitere folgen. Deshalb war Kappel der richtige Ort für eine kleine Pause. In einer dunklen Gaststube mit sehr authentischem 70er-Jahre-Retro-Design sparte die Chefin zwar mit Gastfreundschaft, aber nicht mit leckerem Schweizer Wurstsalat.
Freunde kulinarischer Ethymologie wird interessieren, dass der Schweizer Wurstsalat hier „Elsässer Wurstsalat“ heißt. Falls ich irgendwann über ein Zweitstudium nachdenken sollte, wäre das ein angemessenes Thema für meine Dissertation in Vergleichender Ernährungswissenschaft.


Hochfirst
Gestärkt nahmen wir die weiteren Höhenmeter zum Hochfirst in Angriff, der seinem Namen alle Ehre macht: Es ging immer weiter hoch. Und noch weiter. Und noch weiter. Die Strecke war eigentlich ganz nett (lockerer Mischwald) und flott (Forstweg) — und zog sich doch wie Kaugummi.
Und doch: Nach einer gefühlten Ewigkeit standen wir vor dem Berggasthaus Hochfirst, ließen uns auf der Terrasse nieder und waren sehr froh, endlich den höchsten Punkt des ganzen Querwegs erreicht zu haben. Kein einziger Höhenmeter mehr für heute!


Bis der Autor auf die Idee kam, nun auch noch den Aussichtsturm zu besteigen, der sich direkt nebenan in den Himmel bohrte. Ziemlich schnell zweifelte ich auf einer der 124 Treppenstufen, ob das wirklich eine gute Idee war: Es steckten doch schon sehr viele Aufstiege in den Beinen (die es vermutlich für Blödsinn hielten, sich auf einem 1180 Meter hohen Berg noch weitere 25 Meter nach oben zu schleppen).
Aber aufgeben war nicht drin und oben wartete als Belohnung ein beeindruckender 360-Grad-Rundumblick. Auf der einen Seite eine schwach erkennbare Alpenkulissse, auf der anderen Seite weit unten der Titisee, dahinter der schneebedeckte Feldberg.
Fast ebenso beeindruckend, das gut spürbare Schwanken des Turmes, obwohl es beinahe windstill war.




Tipp: Im Berggasthaus kann man auch übernachten. Bei „regulär gelaufenem Querweg“ wäre das eine interessante Option gewesen!]
Titisee 2.0
Unserer letztes Stück für heute war der Abstieg vom Hochfirst nach Titisee. Relativ direkt und steil verloren wir mehrere hundert Höhenmeter und stellten einmal mehr fest: „Runter“ ist anders anstrengend, aber nicht weniger anstrengend als „rauf“.

Doch es lief schneller und besser als erwartet; bald standen wir an der selben Stelle wie vor drei Tagen — aber viel, viel besser: Sonne satt, wuselnde Touristenströme, perfektes Tannenzäpfle-am-See-genieß-Wetter. Zwei Drittel der Wandergruppe ließen es sich nicht nehmen, drei Viertel der Wandergruppenbeine im Seewasser zu kühlen. Seeehr angenehm (und drei Tage früher absolut unvorstellbar).

Weiterer Unterschied: Während Titisee drei Tage zuvor sagenhafte 35€ für’s Parken abkassierte, zahlten wir jetzt genau 0€ für eine zweistündige Zug-und-Bus-Rückfahrt zurück nach Blumberg. Denn dank der Konus-Karte, die jeder Schwarzwald-Übernachtende zwangsläufig erhält, ist der ÖPNV in einem verschwenderisch großen Gebiet gratis.
Zahlen, Daten, Fakten
Tagesbilanz für Etappe 6 (21.04.): 22 km / 997 Höhenmeter
Gesamtbilanz Etappe 1 bis 6: 118,1 km / 4908 Höhenmeter,
entspricht 20,6 Stück Schwarzwälder Kirschtorte