Ba[h]lingen-Tour V: Jakobsweg Wolfach — Elzach

„Wer Gott zum Lachen bringen will, macht Pläne.“ Am Montag hatte ich noch erklärt, warum die Ba[h]lingen-Tour eine Pause macht — und keine 18 Stunden später fanden wir uns im Schwarzwald wieder. Wir sind unserem Ziel wieder ein großes Stück näher gekommen, obwohl nicht alles nach Plan verlief.

Erster Blick ins Elztal
Erster Blick ins Elztal

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Bilder, Highlights, Zahlen, Daten, Fakten am Ende dieses Artikels.

Warum der Sinneswandel?

Weil sich die Wetterprognosen für Dienstag schlagartig geändert hatten, nachdem ich meinen Hitzebedingte-Zwandspause-Beitrag veröffentlicht hatte. Statt über 30° und Dauersonne nur noch 25°, bedeckt und hohe Regenwahrscheinlichkeit am Nachmittag. Da packten mich Ehrgeiz und Wanderlust.

Die Idee war:

  • Wir starten am Dienstag so früh wie möglich in Wolfach und bleiben von dem angekündigten Nachmittagsregen weitgehend verschont.
  • Wir übernachten in Elzach und brechen mittwochs zur schattig-kühlen Etappe nach Denzlingen auf.
  • Nach einer Übernachtung in Denzlingen machen wir uns im Morgengrauen auf den Weg, um Bahlingen noch bei erträglichen Temperaturen zu erreichen.

Also: Rucksack für eine 3-Tages-Wanderung gepackt (gefühlt schwerste Komponente: 1 Liter Wasser + 6 Futterrationen für Luis), Garmin mit GPX-Daten gefüttert (fast 1000 Kilo Byte, trotzdem federleicht), Kaffeemaschine präpariert (Wasser + Kaffee rein, Becher drunter) und Frühstück „to go“ in den Kühlschrank gelegt.

Jetzt geht’s los!

Die gute Vorbereitung zahlte sich aus: Aufwachen und fertig sein war fast eins. 10 Minuten nach dem Aufwachen war ich — mit frischem Kaffee in der Hand und schwerem Rucksack im Rücken — zur Abfahrt bereit. Nur Luis betrachtete das ungewöhnliche Spektakel mit ungläubigem Staunen:

Ungläubiges Staunen: JETZT schon aufstehen?
Ungläubiges Staunen: JETZT schon aufstehen?

Auf erfreulich leblosen Straßen erreichten wir Wolfach und verließen Punkt 7 Uhr unseren Parkplatz am Bahnhof.

Wolfach — Gutach: Wandern auf dem Fake-Jakobsweg

Info „Jakobsweg“ von Wolfach ins Elztal: Dieser „Jakobsweg“ ist historisch nicht belegt und damit eigentlich ein Fake. Letztendlich ist die Strecke eine profane Mehrtageswanderung, die vom werbewirksamen Label „Jakobsweg“ profitieren will. Die pilgerrelevanten „Points of Interests“ fehlen; keine Kapelle, kein Wegkreuz, keine Jakobsmuschel weit und breit. Das war ein deutlicher Kontrast zum echten, Geschichte atmenden  Jakobsweg im Kinzigtal.
Mir war es egal und hilfreich bei der Planung: Das Jakobsweg-Label erzeugt Aufmerksamkeit, Infos und GPS-Tracks, die uns im Lauf der Etappe noch sehr hilfreich werden sollten.
Und Luis ist es sowieso egal. Seine „Points of Interests“ sind Bäume und davon gab es mehr als genug.
Attraktion für Luis
Attraktion für Luis

Der Beginn war klug gewählt: Ein schmaler Waldpfad führte uns oberhalb der Kinzig nach Kirnbach, wo wir uns von Kinzig und Kinzigtal verabschiedeten. Luis war irritiert von merkwürdigen Vierbeinern, die — teilweise mit merkwürdigen Antennen auf dem Kopf — eingezäunt in einer Weide standen und ihn nicht persönlich begrüßen wollten. Und ich war irritiert, dass die Wege zur Unteren Ecke“ streng bergauf führten. Ich will gar nicht wissen, wie der Weg zur „Oberen Ecke“ ausgesehen hätte.

Trotz der Irritationen erreichten wir fehlerfrei die erste „Passhöhe“. Schwarzwaldtypisch bestand die Aussicht aus Bäumen, nur gelegentlich konnten wir einen Blick auf unser erstes Ziel Gutach erhaschen. Dabei fiel der Blick auch unweigerlich auf drei Windräder im Bau weit oberhalb von Gutach. Wenn ich da schon gewusst hätte… Aber auch dazu später mehr.

Windkraft über Gutach
Windkraft über Gutach

Gutach: Dorfbeck mit Rosinenweck

Rast in Gutach. Knapp seitlich der Kamera: Leckeres Rosinenbrötchen
Rast in Gutach. Knapp seitlich der Kamera: Leckeres Rosinenbrötchen

Gute Nachricht: Gutach war der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt für die erste Pause. Schlechte Nachricht: Ich lief zwar mit 6 Rationen Luis-Futter durch den Schwarzwald, aber mein Frühstück lag noch dort, wo ich es am Vortag hingelegt hatte. Zuhause im Kühlschrank. In der frühmorgendlichen Hektik vergessen. Der gute Hundehalter denkt an sich selbst zuletzt.

Zum Glück führte der Weg direkt am Dorfbeck Gutach vorbei: Vor dem Haus luisspezifische Konversation mit einer freundlichen Bäckereifachverkäuferin, im Haus leckerste Leckereien (leider nicht transportabel) und eine große Auswahl an Brötchen. Damit war auch meine Frühstückspause gerettet.

Gutach — Landwassereck: Schweißtreibende Höhenmeter

Wanderhighway aka Fake-Jakobsweg
Wanderhighway aka Fake-Jakobsweg

Gutach verließen wir relativ lange auf geteerten Straßen und Wegen. Nach 2 Kilometern haben wir dann den Teer hinter uns gelassen und irgendwie auch den Fake-Jakobsweg „verloren“. Stattdessen folgten wir einer gelben Raute, die uns Richtung Landwassereck und immer weiter nach oben führen sollte. Und noch weiter nach oben. Und noch weiter. Vor jeder Biegung dachte ich: „Gleich haben wir es geschafft, noch weiter kann es nicht hoch gehen.“ Und hinter jeder Biegung wusste ich: Doch, es kann.

Wenig ermunternd waren die merkwürdigen Kilometerangaben: „Landwassereck 4,0 km“. 30 Minuten, viele Schweißtropfen und Dutzende Höhenmeter immer noch: „Landwassereck 4,0 km“. Nur der Wald (und der Hund) hörten meine Flüche sachorientierten Verbesserungsvorschläge über den Weg und dessen Beschilderung.

Windkraft an der Prechtäler Schanze
Windkraft an der Prechtäler Schanze

Seit Gutach lagen 7 Kilometer hinter uns und fast 600 Höhenmeter unter uns. Vor uns lagen gleich 3 Überraschungen:

  1. Keine weitere Biegung, keine weitere Steigung! Wir waren wirklich oben!
  2. Wir standen genau neben den Windrädern, die wir vor 2 1/2 Stunden aus weiter Entfernung bestaunt hatten.
  3. Viele Abzweigungen und kein einziger Wegweiser.

Vermutlich sind die Schilder den Pisten zum Opfer gefallen, die für die Windradbau in den Wald planiert wurden. Deshalb war ich sehr, sehr froh über den Fake-Jakobsweg-GPS-Track, der mich auf den richtigen Weg zurückführte.

Mit erfrischendem Wind und fallenden Höhenmetern gaben wir nochmal alles, bis ich endlich ausrufen konnte: „Landwassereck in Sicht!!!“.

Land(wassereck) in Sicht!
Land(wassereck) in Sicht!

Landwassereck: Schäufele schaufeln

Die Freude war groß. Und sie wurde noch größer, als ich das Höhengasthaus Landwassereck wieder erkannte: Sehr sehr oft bin ich ich hier schon vorbei gefahren und dachte immer wieder: „Hier könnte man schön Pause machen.“ Und habe nie Pause gemacht, weil es nie Zeit für eine Pause war. Dass ich jetzt genau hier — sogar zu Fuß (!) — aus dem Wald gepurzelt kam, erschien mir wie ein Wink des Schicksals.

Landwassereck-o-rama
Landwassereck-o-rama
When in Baden do as the Badeners do: Schäufele mit Kartoffelsalat
When in Baden do as the Badeners do: Schäufele mit Kartoffelsalat

Diesem Wink folgten wir. Nach einem schnellen Panoramablick enterten wir die Terrasse und sofort war der Wirt zur Stelle, um Luis‘ Durst zu stillen. Flugs stand für Luis ein gefüllter Wassernapf bereit, ich entschied mich für einen isotonischen Powerdrink auf Hopfenbasis. Die Speisekarte war perfekt für hungrige Wanderer, die Entscheidung war für mich alternativlos: Schäufele mit Kartoffelsalat und Bauernbrot.

Leichter Nieselregen sorgte für angenehme Erfrischung, das Gespräch mit dem Wirt für angeregte Unterhaltung. So war der anstrengende und frustrierende Anstieg schnell vergessen und die „Akkus“ für den Weg nach Elzach wieder aufgeladen.

Landwassereck — Elzach: Lustige Kilometerstreiche

Finaler Pfad am Elzufer
Finaler Pfad am Elzufer

Dieser Weg war im Großen und Ganzen unspektakulär: Überwiegend abwärts, kaum Steigungen, breite Waldwege, schnelles Vorwärtskommen, viele Bäume, wenig Aussicht. Für Abwechslung sorgten nur die schwankende Intensität des Nieselregens und die merkwürdigen Kilometerangaben:

  • „Elzach 5,0 km“. Juhu, denkt der Laie, noch eine gute Stunde und wir sind da.
  • Einen Kilometer später: „Elzach 5,5 km“. Hä?!
  • Eineinhalb Kilometer später: „Elzach 3,0 km“. ?!?!?

Ich würde gerne wissen, nach welchem System (oder nach wievielen Grauburgundern) der Schwarzwaldverein die Kilometer auswürfelt. Die Würfel müssen auf jeden Fall gezinkt sein. Und ich hoffe, dass der (badische) Herr Schäuble bessere Würfel verwendet, um die Zahlen des Bundeshaushalts zu ermitteln.

Elzach: Im Rückblick ganz lustig

Wir erinnern uns: Der Plan war, in Elzach zu übernachten und mittwochs nach Denzlingen aufzubrechen. Der Fehler im Plan war, die Wörter „Elzach“ und „übernachten“ in einem Satz zu verwenden. „Ausgebucht“, „Bei uns gibts nur noch Restaurant“, „Wir haben heute zu“ usw. usf. Auch im weiteren Umkreis: Nix, nada, niente. Nach einer halben Stunde persönlicher, telefonischer und googlischer Suche gab ich auf. Plan B C D E musste her.

Gedächtnisprotokoll der Kommunikation mit meinem Smartphone:

  •  Luis‘ Herrchen: „Wann der nächste Bus Richtung Wolfach?“
  • Smartphone: „Jetzt.“

Luis‘ Herrchen blickt vom Display auf und sieht, wie der Bus an ihm vorbei fährt.

  • Luis‘ Herrchen: „Kein Problem, dann nehmen wir halt den nächsten. Wann fährt der?“
  • Smartphone: „In zwei Stunden.“
  • Luis‘ Herrchen: „Ist das Dein Ernst???“
  • Smartphone: „Ja. Mit zwei Mal umsteigen bist Du schon in vier Stunden in Wolfach.“
  • Luis‘ Herrchen: „Das ist ja fast länger, als ich zu Fuß gebraucht habe. Zeig mir mal die Taxis in Elzach“
  • Smartphone: „Da finde ich zwei.“

Luis‘ Herrchen ruft die erste Nummer an.

  • Luis‘ Herrchen: „Hallo. Ich bin hier am Bahnhof in Elzach und möchte gerne nach Wolfach. Ich habe einen Hund dabei, das ist hoffentlich kein Problem. Können Sie mir sagen, was das ungefähr kosten wird?“
  • Die erste Nummer: „Ich habe das Taxigeschäft schon vor Jahren aufgehört. Tut mir leid, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.“

Luis‘ Herrchen ruft die zweite Nummer an.

  • Die zweite Nummer: „[Genuschel] Taxi [Genuschel]. Ihre Bestellung bitte.“
  • Luis‘ Herrchen: „Ah Taxi, das ist gut. Ich bin in Elzach am Bahnhof und möchte nach Wolfach.“
  • Die zweite Nummer: „???“
  • Luis‘ Herrchen: „Ich – möchte – nach – Wolfach.“
  • Die zweite Nummer: „Wolfach viel zu weit, wir liefern da nicht.“
  • Luis‘ Herrchen: „???“
  • Die zweite Nummer: „Hier Pizza-Taxi ***, wir liefern nicht nach Wolfach.“
  • Luis‘ Herrchen: „Kann man da gar nichts machen?“
  • Die zweite Nummer: „Sind Sie eine Pizza?“
  • Luis‘ Herrchen: „Nein.“
  • Die zweite Nummer: „Tut mir leid.“

Okay, okay, ich gebe es zu: Der Dialog mit Nummer zwei war frei erfunden. Ich hatte tatsächlich angerufen, aber niemand erreicht. Erst später bin ich zufällig an dem Laden vorbeigegangen und habe entdeckt, dass die uns nur in flachen Pappkartons befördert hätten.

Ergo: Um sich die Zeit zu vertreiben, spaziert Luis‘ Herrchen zur Agip-Tankstelle und kauft sich die ZEIT und wartet auf den Bus.

Eigentlich absurd: Weil man zuviel Zeit hat, muss man sie sich kaufen… Luis wusste das Übermaß an Zeit sinnvoller und billiger zu nutzen:

Erschöpfter Luis wartet
Erschöpfter Luis wartet

Am Ende hat die Busfahrt sogar richtig gute Laune gemacht. Der hundeaffine Busfahrer sorgte mit Humor für gute Atmosphäre, das dezente Vibrieren des Dieselmotors  übertönte Luis‘ dezentes Schnarchen.

Erschöpfter Luis fährt Bus
Erschöpfter Luis fährt Bus

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Bilder dieser Etappe

(Draufklicken startet Galerie)

Die 4 Highlights dieser Etappe

  1. Früher Vogel: Klingt zwar merkwürdig, war aber so: Das erste Highlight war die frühmorgendliche Anreise auf gähnend leeren Straßen mit beeindruckendem Sonnenaufgang.
  2. Landwassereck: Deftige Hausmannskost in perfekter Lage: Schönes Panorama und genau zur Mittagszeit erreicht.
  3. Kilometerscherze: Sobald man die Kilometerangaben nicht Ernst nimmt, sorgen sie für viel Unterhaltung auf einer wenig abwechslungsreichen Strecke.
  4. Elzach: Ein schönes Örtchen, das durch die Umgehungsstraße dramatisch an Qualität gewonnen hat.

Zahlen, Daten, Fakten

  • Streckenlänge: 26,4 km
  • Höhenmeter: 1250 m
  • Strecke: Wolfach — Gutach — Landwassereck — Elzach
  • Gesamtbilanz: 5 Etappen, 112,8 km, 3852 Höhenmeter, entspricht 18,9 Stück Schwarzwälder Kirsch

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2 Kommentare zu „Ba[h]lingen-Tour V: Jakobsweg Wolfach — Elzach“

  1. Hallo Odie, vielen Dank für die lobenden Worte. Schön, dass Euch der virtuelle Weg durch den Schwarzwald gefallen hat. War definitiv bequemer als „live“, aber dafür durfte *ich* die Schäufele mit Kartoffelsalat „in echt“ genießen ;-).

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