Heute war es so weit: Wir würden den Namensgeber und den topografischen Höhepunkt unserer Via Gottardo erklimmen. Ein Tag voller Kontraste und mit der Erkenntnis, dass „Il Gottardo“ manchmal mehr „provides“als mir lieb ist…
Topfeben von Andermatt nach Hospental
Doch der Reihe nach: Das Hotel hatte sein Frühstücksbuffet noch nicht eröffnet, da waren wir schon unterwegs Richtung Hospental. Die erste Stunde führte uns (fast) topfeben an den Golfplätzen der Andermatter Nobeltouristen durch die angenehme Morgenfrische.
Derweil zweifelte ich an meinem ungefrühstückten Abmarsch: Hospental war viel kleiner als gedacht, kein einziger Laden und die großen B Ä C K E R E I-Lettern eines Hauses waren entweder Fake News oder Überbleibsel längst vergangener Zeiten.
Doch dann: Offene Tür im Restaurant „St. Gotthard“. Konnte es heute einen besseren Platz für die erste Mahlzeit des Tages geben? Nein, konnte es nicht. Der sehr nette Wirt versorgte mich nicht nur mit Koffein und Kalorien, sondern auch mit einer schönen Panoramakarte und Tipps für die weitere Wanderung. Danke dafür!
Jetzt geht’s aufwärts: Die alte Gotthardstraße
Powered by Gipfeli erstürmten wir die erste Steigung: Teils auf der ganz alten Gotthardstraße, teils am Rand der neuen, teils auf schönen Saumpfaden. Beeindruckend ein Meer aus lila, als habe es diesen Farbton bei der Pflanzenevolution im Sonderangebot gegeben.
Nervenkitzel erzeugten sehr viele, sehr große Vierbeiner, die partout nicht auf Sitz! Und Platz! hören wollten. Ein gut gemeintes Schild empfahl, Distanz zu waren. Ist mir schon klar, aber sagt das mal Euren Kühen!
Mein Powered-by-Gipfeli-Akku ging allmählich auf Reserve, da kam mir das Restaurant Mättli gerade recht. Zwecks ausgewogener Ernährung gab es kein weiteres Gipfeli (sondern ein Nussstängli).
Wir. Zu Fuß. Ins Tessin.
Eine Dreiviertelstunde später waren wir am Bruggloch und ich konnte es selbst kaum glauben: Wir hatten das Tessin erreicht! Zu Fuß! Von zuhause aus!
Wohlgelaunt schritten wir des fast flachen Weges, bis uns plötzlich das Pfeifen einer Alarmanlage aufhorchen ließ. Alarmanlage? Hier? Genaues Nachsehen ergab: Die Alarmanlage trug Fell und war vom Typ Marmota…
Unglaublich & wahr: Mir San Gottardo!
Bald hatten wir die 2000 Meter über dem Meer geknackt und ein paar Felsen, Bächlein und Schlenker später konnten wir verkünden:
Habemus Gottardo!
Die Passhöhenschilder waren ein beliebtes Selfie-Motiv – und natürlich mussten auch wir die obligatorischen Beweisfotos machen (mehr Doggies als Selfies).
Um die Erhabenheit des Erreichten auszukosten, fläzten wir auf einem Nachbarfelsen und ließen uns dabei nicht mal von lärmenden Schnell-mal-anhalten-Selfie-machen-kreischen-und-schnell-weiter-Fahrern stören.
Ein Schiff wird nicht kommen
Nach etwa einer halben Stunde zog es mich Richtung Unterkunft – ein Fehler. Denn was aus der Ferne wie ein laut aufgedrehtes Autoradio klang, war in der Nähe ein elektronisch verstärktes Mandolinenduo, das mit einer verstörenden Ausdauer die Bergwelt beschallte. „Ein Schiff wird kommen“ auf den Gotthardpass?! Das war mehr „providing“ als ich ertragen konnte.
Zu allem Unglück musste ich noch viel Zeit bis zum Zimmerbezug totschlagen und die Open-Air-Gastronomie war durch die Mandolinisten unbenutzbar geworden. So saß ich bei schönstem Wetter im Restaurant. Und eineinhalb Stunden später mandolinierten die Herren immer noch, begleitet vom Pfeifkonzert der empörten Murmeltiere.
Einmaliges Zähneputzpanorama
Immerhin scheinen die Zimmerfenster schalldicht zu sein, zum Glück aber nicht blickdicht. Das wäre ein Jammer, selten konnte ich mit solcher Aussicht duschen und Zähne putzen:
Und demnächst nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und schaue nach, ob das Schiff inmer noch kommen wird…
Luis hat Glück gehabt
Und der Erkenntnisgewinn für Luis? Er hat es überaus gut erwischt, denn er bekommt sein Gepäck (Futter, Decke, Napf, Maulkorb, Tüten….) über den Gotthard getragen.
Währenddessen müssen andere Vierbeiner anderer Leute Gepäck (und die anderen Leute!) über den Gotthard zerren:
Hallo, gut angekommen auf der Höhe. Wie weit geht es Morgen?
Die Strecke Zürich-Ascona habe ich 2012 mit einer Trailrunning Gruppe gemacht.
Morgen mindestens bis Airolo und vielleicht weiter bis Rodi. Habe mich schon an die Kühle hier oben gewöhnt und bin gespannt, wo uns morgen der Hitzehammer trifft..