Eine entspannte Anreise und ein entspannter Abendgassigang von Vevey nach Espesses. Das war der Plan für heute. Doch kam alles ganz anders – und mit viel Glück hat es doch (fast) geklappt.

Es begann vielversprechend: Der Zug in Rottweil ungewöhnlich pünktlich, aber unterwegs Richtung Schweiz breaking news: Die Strecke zwischen Schaffhausen und Zürich ist gesperrt. Eigentlich kein größeres Problem, weil die SBB eilig eine Ersatz-S-Bahn von Schaffhausen via Winterthur nach Zürich aufs Gleis gestellt hatte.
Dumm nur, dass die DB beschlossen hatte, den Zug schon in Singen zu beenden. Dort ergoss sich dann der Inhalt eines kompletten IC un eine kleine Regionalbimmelbahn nach Schaffhausen. Abstände? Corona? Pfff, ist der DB doch egal.
In Schaffhausen dann gut organisierter Umstieg nach Winterthur, überall hilfsbereite und auskunftsfähige Bahnmitarbeiter in orangefarbenen Westen. (Zuvor DB-Zugbegleiterin in D: „Ich weiß auch nichts, ich hab hier kein Internet.“)

In Winterthur dann Umstieg in ein IC, der bis Lausanne durchfährt – sehr gut, kein Stress für Luis im trubelhaften Zürcher Hbf, sondern entspanntes Dösen auf erstklassigem Schweizer Teppichboden. So düsten wir bequem im fast leeren Zug durch Züri, Olten, Solothurn, am Lac de Neuchatel entlang dem Genfersee entgegen.
Bis Yverdon-le-Bäh (so klang es zumindest in der Durchsage). Dort war wieder überraschend Entstation – Bahnhof Lausanne gesperrt, alle Züge fallen aus…

Die ganzen Menschenmassen wurden in eine S-Bahn gestopft, um ein paar Stationen gen Lausanne zu schwitzen. Dann war wirklich Feierabend.
Bis ich die gut versteckte Metro enddeckte, die uns bis kurz Lausanne Gare schaukelte. Auf eine weitere Metro für die paar hundert Meter bis zum Ziel habe ich dankend verzichtet. Luis hatte Gedränge und Hitze tapfer ertragen, aber jetzt braucht er frische Luft (ich auch) und Bäume (ich nicht).
Und so waren wir am Ende doch noch da. Zweieinhalb Stunden und 5 Umstiege mehr als geplant. Aber Hauptsache da.

Eigentlich hatte ich zu dieser Zeit schon längst in der Unterkunft eingecheckt und bereits weiter nach Vevey gefahren sein wollen, um dort eine kurze Halbtagesetappe zu starten.
Wollte ich das immer noch? Nach dieser überlangem Hottortrip (zumindest aus Luis Sicht)?
Ja. Nicht trotz, sondern wegen der Abenteueranreise. Also doch noch wieder zum Bahnhof und ab nach Vevey, wo wir vor fast genau zwei Jahren unsere letzte via Jacobi beendet haben.

Es war mittlerweile kurz vor 6, aber immer noch heftig warm (29° laut eines Thermometers). War das wirklich eine schlaue Idee, in der prallen Sonne durch Weinberge zu wandern?
Vom Bahnhof weg müssten wir erst mal den Alpen-Panoramaweg erreichen. Immer der Hauptstraße entlang war zwar nicht wirklich schön, aber angenehm schattig.

Für die hitzigen Höhenmeter aus der Stadt heraus wartete ich gerne eine Viertelstunde auf die Standseilbahn. Natürlich nicht, weil ich zu faul war – sondern aus reinem bahntechnischen Interesse. Außerdem war auch ein buddhistischer Mönch an Bord, die Fahrt kann daher Karma-technisch nicht so verkehrt gewesen sein.


Nach genau 2 Minuten Fahrt hatte sich das Wetter komplett geändert: Statt druckender Sonne bedruckter Himmel und angenehm erfrischender Wind. Richtung Genf rottet sich eine Regenfront zusammen, die uns laut Wetterradar in ca. 1 1/2 Stunden erreichen soll.
Bis Espesses würde es wohl nicht ganz reichen, aber das war nach dem Tag sowieso etwas zu ambitioniert. So genossen wir einen gemütlichen Spaziergang durch die Weinberge, den kühlen Wind auf Haut und Fell sowie den Blick auf See und Berge. Der Alpen-Panoramaweg hatte seinen Namen redlich verdient…





Unverdient war „prognose“ in „Regenprognose“: Schon vor St. Saphorin erwischten uns die ersten Tropfen, die im Örtchen in einem heftigen Regenguss eskalieren.

Mist, die S-Bahn fährt nur einmal die Stunde und die nächste in zwei Minuten. Nicht zu schaffen, zumal ich nur so ungefähr wusste, wie man zum Bahnhof kommt (keinesfalls in 2 Minuten).
Doch „El camino provides“: Ich wurde Zeuge eines seltenen Naturschauspiels – eine um vier Minuten verspätete Schweizer S-Bahn. Genau diese vier Minuten habe gereicht, um schnell (und nass) „nachhause“ zu kommen.

Nach den Irrungen & Wirrungen im Lauf des Tages war das mehr als ich erwarten durfte.