Am 1. November war es so weit: Wir starteten zu unserer ersten Zickzack-Gassiwanderung — als Generalprobe und Premiere zugleich. Würden die » Fünf Grundsätze des Zickzack-Gassiwanders funktionieren und — wie erhofft — dem Zufall auf die Sprünge helfen? Das Ergebnis überrascht: Der Zufall ist sowohl Scherz- als auch Glückskeks.

Die weltweit erste Zickzack-Gassiwanderungs-Abbiegung
Mit dem Durchschreiten der Haustür hätten wir die Wahl gehabt: Links oder rechts? Die einzig freie Entscheidung, die wir hätten treffen können und die zudem die Richtung aller weiteren Zickzack-Wanderungen bestimmen würde.
Wir hätten die Wahl gehabt, wenn es uns bewusst gewesen werden. Stattdessen bogen wir einfach so nach rechts ab, weil wir dort immer nach rechts abbiegen. Banaler Grund: Der erste Baum (quasi Luis‘ Stamm-Baum) liegt rechts der Haustür. Wenige Meter später folgte ein historische Moment: Die weltweit erste offizielle Zickzack-Gassiwanderungs-Abbiegung (nach links)

5 Kilometer unheimlicher Zufall
Luis war hier zickzack-korrekt abgebogen, weil wir dort fast immer zu den üblichen Gassirunden abbiegen. Zufall? Naja, bei einer 50:50-Quote nicht wirklich ungewöhnlich.
Wir spazierten also entlang der Eyach, bis uns eine Rechts-Links-Kombination am rechten Ufer weitergehen ließ. Hinter der Bizerba-Arena wieder rechts; nach zwei links und zwei rechts waren wir auf einem steilen Waldweg im Gebiet Hangen. Jetzt war ich doch etwas überrascht: Wir befanden uns exakt auf unser „erweiterten“ Gassirunde, auf der wir mehrmals wöchentlich unterwegs sind. Haha, witziger Zufall.
Doch langsam wurde es mir unheimlich: Trotz konsquentem Zick und Zack war ich nach fünf (!) Kilometern immer noch auf der Strecke, die wir regelmäßig als „Große Hangen-Runde“ absolvieren. Konnte das noch ein Zufall sein? Gehe ich unbewusst schon immer zickzack durchs Leben? Fragen über Fragen…
Erkenntnisgewinn: Der Zufall kann überraschend wenig innovativ sein.
Alles ist relativ
Dann endlich, nach über 1 Stunde durfte ich auf eine unbekannte Forststraße abbiegen, die allmählich zum Waldweg Wanderweg Trampelpfad Nichts wurde. Zurück konnte ich nicht (Verstoß gegen § 4 der Fünf Grundsätzen des Zickzack-Gassiwanders), also kämpfte ich mich durch immer steileres, immer unwegsameres Gelände mühsam bergauf.
Hier kam Geogaching-Feeling auf — nur ohne GPS. Treppenwitz der Zickzack-Geschichte: Genau das sollte mein Regelwerk eigentlich vermeiden. Im Gegensatz zur Schwarzwald-Dirrettissima wollte ich nicht wild durchs Gelände, sondern schön gemütlich auch bequemen Wegen bleiben. Zitat aus meinen Ausführungen zur Inspiration für Zickzack-Gassiwandern:
Aus früheren Geocaching-Zeiten wusste ich, dass „nur“ 100 Meter Luftlinie an einem steilen Waldhang endlos viel Kraft und Zeit kosten können. Zudem ist diese Art der Freiluftbewegung nicht hundegeeignet und daher (für mich) sinnfrei.
Ja, es kostete viel Kraft und viel Zeit. Noch mehr Kraft kostete es, Luis gefühlte 100 Meter über dorniges Brombeergestrüpp zu tragen.
Erkenntnisgewinn: Die Antwort auf die Frage „Was ist ein Weg?“ ist sehr relativ und wegabhängig.
Der Zufall ist ein Scherzkeks
Irgendwann hatte ich eine flache Lichtung erreicht — und nirgends war kein Weg zu sehen. Hier war ich dankbar, mein Garmin dabei zu haben, das mir die nächstgelegene gestrichelte Linie in der virtuellen Landschaft zeigte. Mit dem realen Weg fand ich dann auch den Links-Rechts-Rhytmus wieder.
Inzwischen war die Sonne auf unser Tun neugierig geworden und blickte auf uns herab. Bunte Lichtspiele im Herbstlaub und mal breite Wege, mal schmale Pfade — das waren unscheinbare, aber für mich wertvolle „POIs“ nach dem ungemütlichen Aufstieg.
Zuweilen war ich so abgelenkt, dass ich bei manchen Abzweigungen überlegen musste: Ist jetzt „links“ oder „rechts“ dran? Trick für angehende Zickzack-Wanderer: Ich trage mein Garmin immer in der Hosentasche, in deren Richtung ich beim nächsten Mal abbiegen muss.
Etwa eine Stunde nach dem anstrengenden Hoch und dem schleifenreichen Runter outete sich der Zufall als Scherzkeks: Ich stand wieder an der Wegkreuzung, an der ich eine Stunde zuvor abgebogen war… Harhar, sehr witzig!
Auch witzig: Just an der Stelle fragte mich ein Paar mit Hund, wo man den hin käme, wenn man „meinen“ Weg ginge. Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Wenn Sie immer abwechselnd links und rechts abbiegen und das Dickicht nicht scheuen, dann sind Sie in einer Stunde wieder hier.“ Keine Ahnung, warum die drei mit erkennbarer Irritation einen Schritt von mir zurück gewichen sind.
Erkenntnisgewinn: Der Zickzack-Gassiwanderer sollte sehr sehr gut überlegen, wem er von seinem Hobby erzählt.
Historic landmark: Wo § 5 entstand
Nach einigen rechts, links, rechts usw. stand ich an Zickzack-historischer Stätte: Hier traf ich auf ein Szenario, das ich in meinen fünf bis dahin vier Grundsätzen des Zickzack-Gassiwanders nicht bedacht hatte: Alle verfügbaren Wege war ich schon gegangen. Deshalb formulierte ich an Ort und Stelle § 5, sinngemäß: So schnell wie möglich wieder zu Unbekanntem! [Genaue Positionsangaben zur Aufstellung allfälliger Gedenktafeln sind dem Autor bekannt.]
So konnten wir dieser Zickzack-Falle entkommen. Auf einem netten, unscheinbaren Waldpfad überraschte eine unnötige und aufwändige Brücke. [Zugegeben: Luis war nicht wirklich überrascht, sondern eher durstig.]
Zu Beginn des Tages hatte ich mir vorgenommen, mich etwa drei Stunden auf Zickzack-Pfaden zu bewegen. Meine Überlegung: Der direkte Rückweg würde kürzer und schneller sein, sodass ich insgesamt etwa vier bis fünf Stunden unterwegs wäre.
Die drei Stunden hatte ich schon fast erreicht. Deshalb freute ich mich, dass der Zickzack-Zufall scheinbar in Richtung des Ortsteils Engstlatt führte: Von dort gäbe es einen sehr direkten Weg zurück zum Ausgangspunkt des heutigen Tages.
Zickzack-Ethik oder: Der echte Zufall ist ein Glückskeks
Doch kurz vor dem vermeindlichen Ende verrichtete der Zufall sein Werk: Statt nach Engstlatt führte er mich in Grenzbereiche der Zickzack-Ethik.
Ein Grillplatz wird von zwei spitzwinklig zusammenlaufenden Wegen eingerahmt, an deren Spitze der Weg nach Engstlatt führt (auf der Karte nach links). Ich kam (auf der Karte) „von unten“ und musste links abbiegen. So weit, so klar. Aber dann? Gleich wieder rechts abbiegen? Damit wäre ich eigentlich nur um den Grillplatz herum und in die „falsche“ Richtung gegangen.
Das Zickzack-Teufelchen flüsterte, ich solle den Grillplatzweg einfach ignorieren, weil das irgendwie kein richtiger Weg sei. Ich rang kurz mit mir, dann rief ich zurück: „NEIN! Warum sollte ich mir Grundsätze formulieren, an die ich mich dann selbst nicht halte? Bin ich FIFA oder was?“. „Mist, der mogelt nicht.“, sprach das Teufelchen, „Dann geh ich halt wieder zurück nach Zürich.“
Also rechts abbiegen Richtung Osten, dann ein kleines Weglein links und — Überraschung — das kannte ich doch: Ein kleines Aussichtsbänklein oberhalb des „Seerosengartens„. Also war meine Entscheidung doch nicht so schlecht gewesen…
Und etwa 100 Meter später war ich völlig baff: Die Tore des Seerosengartens standen sperrangelweit offen! War das zu glauben? Nach 12 Kilometern (!) zufallsgesteuerter (!!) Wegstrecke saß ich am 1. November (!!!) im geöffneten (!!!!) Biergarten.
Erkenntnisgewinn: Der Zufall ist ein Glückskeks (wenn man nicht mogelt).
Seerosige Belohnung und Fazit
In wärmenden Sonnenstrahlen saß ich am Seerosensee, wo ich die Tour und ihr unerwartetes Ende Revue passieren ließ (bis mein Essen kam ;-).
Generalprobe bestanden!
Der heutige Tag sollte Generalprobe sein und zeigen, ob Zickzack-Gassiwandern funktioniert. Ja, es funktioniert. Sogar viel besser, als ich je erwartet hätte.
Die Haupterkenntnis des Tages gab mir der Seerosengarten gleich noch schriftlich:
Zahlen, Daten, Fakten
- Stadtmitte Balingen ⇒ Seerosengarten Engstlatt
- Zickzack-Strecke: 11,3 km, 230 Höhenmeter, 3 Stunden
- 18 x links, 18 x rechts
- Luftlinie 4,2 km
- Rückweg: 2,3 km (30 min) + ÖPNV