Gestern waren wir »versehentlich« auf der Via Jacobi unterwegs — heute voller Absicht: Wo wir 2021 abbrechen mussten, gab es jetzt einen Reboot. Denn was jeder IT-Support sagt, hat sich bestätigt: »Reboot tut immer gut.«. Und was jeder Pilgernde weiß: »El Camino provides«. Alternativ auch »Il cane«.)

Montag morgen, die Sonne scheint, aber wo ist….??? Merde, j’ai oublié mon chapeau noir á la maison ! Kein Problem, denn die Unterkunft lag auch dafür perfekt: Punkt 8 Uhr rein in den Coop im Untergeschoss, die letzte Basecap gekauft, gemütlich ins Zimmer, um 08:09 gesehen, dass der nächste Zug um 08:16 fährt, Hund + Rucksack gepackt, im Hotelflur noch schnell Online-Tickets für mich und Luis gekauft und dann sogar eine Minute zu früh am Bahnhof.
Kurz nach 9 waren wir dann in St Prex. Was letzten August unerwartete und frustrierende Endstation war, empfand ich heute als sonnigen und motivierten Startpunkt.

Auf dem wohlgelaunten Weg zum See passierten wir die Kirche Saint-Protais (leider geschlossen, Ursprünge römisches Mausoleum aus dem III. Jahrundert). In einem Schlenker um das Schloss (ab XIII. Jahrhundert) ging es zurück in den historischen Stadtkern mit Blick auf das Stadttor. Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch und doch „ganz normal“ bewohnt.
Der erste Kilometer führte uns direkt am Ufer des Genfersees entlang, dann wurde es — naja. Erst durften wir ausgiebig ein zeitgenössisches Wohngebiet bestaunen, dann auf dem Seitenstreifen einer Straße nach Buchillon, dann auf der Straße weiter durch eine Waldsiedlung. Der Teerbelag war weder nach meine noch nach Luis‘ Geschmack, aber immerhin schön waldig und schattig.
Irgendwann hatte ich genug vom Straßenwandern und bog in einen lauschig-weichen Waldweg ab, der ungefähr in die richtige Richtung zeigte. Und siehe: Wir purzelten genau da aus dem Wald, wo wir hin wollten: An den Zustieg zur Aubonne.

Hier macht wandern Spaß und auch Luis konnte seine Begeisterung nicht verbergen. Während er bisher eher gelangweilt vor sich hertrottete, war er jetzt wieder hochmotiviert und lief mit fröhlich wackelnden Ohren voraus. Der Weg verlief teils direkt am Wasser, teils etwas abseits …
… und an einer Stelle direkt in den Irrsinn: Am selben Pfosten ist ein Wanderwegssymbol angenagelt und gleichzeitig ein dramatisches Verbotsbanner festgebunden; ein paar Meter weiter noch ein separates Fußgänger-verboten-Schild. Also musste ich in die andere Richtung, um ein Weinfeld herum und durfte dann doch hochoffiziell wieder in die Verlängerung des gesperrten Wegs. Die Sperrung kann kaum mehr als 50 Meter lang sein und hat keinen sichtbare Grund — der Weg davor und dahinter ist derselbe. Da muss ein frustrierter Grundstücksbesitzer aber einen sehr ungesunden Zwang zum Pilgerärgern haben….

Nicht wundern, sondern weiter. Bald waren wir wieder fröhlich an der fröhlich plätschernden Aubonne unterwegs — eine schöne Szenerie für eine länge Pause (und zum Abkühlen der Pfoten, wenn man welche hat). Herrlich: Nur das Plätschern des Baches und das Singen der Vögel…
Die Ankunft mehrerer Fluginsekten „motivierte“ zum Aufbruch, bald ging es aus dem Wald heraus, die Sonne heizte Fell / Haut auf und langsam meldete sich Hunger. Am Wegesrand lag das » Restaurant La Pecherie (sorry, finde den Zirkumflex nicht auf der Tastatur) — machte von außen aber einen unangemessen mondänen Eindruck und eine schnelle Google-Recherche spuckte beeindruckende drei $-Zeichen aus.
Also weiter nach Rolle.
Äh, nein. Ein paar Meter nach dem Restaurant haut Luis die Bremsen rein, wie (fast) am Roulettetisch hieß es: »Chien ne va plus !« Tja. Was sollte ich machen?
Also doch wieder zurück und vorsichtig gefragt, ob man hier denn auch mit Hund… Und ich fühlte mich sofort willkommen und sehr angenehm umsorgt. Luis auch, denn er konnte sich über einen besonders schönen Wassernapf freuen (den er — wie fast immer — beim Vor- und Zurückrangieren halb umgeworfen und sich dann über das Geschepper gewundert hat).


Für mich gab es: Einen Schattenplatz mit schönem Seeeblick, Mousse de Poisson, gefolgt von Friture de Perche avec sauce tartare recette de ma Grand mère mit Frites und einem leckeren Salat, dazu ein Moretti-Panaché (gegen den Wanderdurst) sowie zwei Dezi aus dem Lavaux (wegen der Region) und zum Finale den obligatorischen Esspresso double.





Billig war der Genuss nicht, aber ein Genuss. Und seine Franken wert. Da sowohl das Abendessen gestern als das Frühstück heute ausgefallen waren, lag ich „im Schnitt“ immer noch gut im Budget.
Weitwandererkenntnis: Es überrascht immer wieder, wie ein gutes Essen und ein bis zwei Dezi Traubensaft die Landschaft und die Wege optimieren können. Auf dem Rest der Strecke ab der Pecherie (Zirkumflex immer noch nicht gefunden) war das Örtchen Perroy die einzige schöne Abwechslung, sonst nur Straßen, Straßen, Straßen und ein Gewerbegebiet am Anfang von Role.
Dennoch absolvierten wir diesen Teil beschwingt und fröhlich. An Lavaux und Panaché kann’s nicht (nur) gelegen haben — auch Luis war deutlich freudiger unterwegs als auf solchen Strecken üblich.
In Role hatten wir noch eine halbe Stunde bis zum Zug, sodass wir doch noch ein paar schöne Meter auf der Uferpromenade genießen und das Chateau umrunden konnten. Zum Abschluss erwarteten uns noch ein paar Höhemeter Meter zum Bahnhof, ab dort machten wir dann »Role rückwärts« ;-).
Fazit des Tages: Der Neustart in St Prex war sehr gut. Und Luis hat mir mit seinem sturen Bremsmanöver ein Mittagessen verschafft, an das ich mich lange und gerne zurückerinnern werde.