El camino provides sagt der englischsprachige Pilger. Zu Deutsch sinngemäß: Der (Jakobs-) Weg wird’s schon richten. Wie sehr der Weg providen kann, stellte er heute x-mal unter Beweis.
El camino provides… gutes Wetter
Erste Gassirunde morgens um halb acht: Frischer Schnee hinab bis fast nach Stans, die Wolkendecke hängt kaum höher, eklig-kalter Wind und starker Niederschlag, der sich zwischen Schnee und Regen entscheiden kann.
Doch ich wollte heute sowieso erst später los, also vor/während/nach dem Frühstück herumgetrödelt und siehe da: Kurz vor zehn blauer Himmel und Sonne!
Da durfte die Jacke schnell wieder in den Rucksack; auch weil es direkt ab Stans kräftig aufwärts ging.
El camino provides… schöne Wege
Nach den 14 km Teerschlacht von gestern war die Strecke heute das erfreuliche Gegenteil: Weitgehend naturnahe Wege, meist außerorts mit viel Vogelgezwitscher und Landschaft drum herum.
Das machte nicht nur mir Freude, sondern auch Luis. Einzig das himmlische Gejaule schien ihn zu irritieren: Die Maschinen der nahen Pilatus-Werke absolvierten unablässig ihre lautstarken Testflüge.
El camino provides… philosophische Gedanken
Die Etappe verläuft auf dem Bruderklausenweg und dem Besinnungsweg Ennetmoos, der an verschiedenen Stationen zum Innehalten und Mitmachen einlädt.
Beispiel:
Drehen Sie die Sanduhr um und nehmen Sie sich Zeit für einen Moment der Stille.
Und natürlich habe ich die anmontierte Sanduhr umgedreht und tatsächlich war das bewusste Nichtstun sehr entspannend. Für 50% der Wandergruppe. Der Rest fand es eher langweilig:
El camino provides… ein günstiges Zmittag
Ich hatte mir gestern vorgenommen, auf regelmäßige Pausen und Speisen zu achten. Da kam mir St. Jakob gerade recht – kurz vor Mittag erreichten wir den Ort und den gleichnamigen Gasthof. Doch leider: Montag und Dienstag Ruhetag.
Dem Wirt sei’s gegönnt, doch ich hatte jetzt ein Problem: Trotz üppigen und späten Frühstücks verlangte mein Magen nach Nachschub und meine Beine nach Rast.
Allein, „St. Jakob“ war die einzige Gaststätte in St. Jakob. Kerns war noch über eine Stunde entfernt und liegt ziemlich abseits des Jakobsweges – das hieße einen größeren Umweg machen ohne Gewissheit, dort ernährungsmäßig fündig zu werden.
Fündig wurde ich stattdessen im Pilgerstibli Gisigen: Alles was das Pilgerherz (bzw. der Pilgermagen) begehrt zur freundlichen Selbstbedienung und -bezahlung auf Vertrauensbasis. Das ist es, was den Jakobsweg (neben den steinernen Sehenswürdigkeiten) ausmacht!
Gerne nutzte ich das Angebot und war zwei Panache, eine Flädlesuppe und mehreren Schoggis letztendlich froh über den jakobschen Ruhetag: Was ich hier für Getränke und Kalorien und Proviant für die Reststrecke ausgegeben habe, hätte im Restaurant wohl gerade für die Vorspeise gereicht.
El camino provides… einen besseren Camino
Frisch gestärkt nahmen wir die letzten Kilometer unter die Füße und Pfoten. (Luis war zwar nicht frisch gestärkt, aber trotzdem noch fröhlich dabei.)
Vielleicht war ich zu gestärkt, denn irgendwo im Bethanien-Komplex muss ich eine Abzweigung übersehen haben, weil ich einfach irgendeinem „Wanderwege“-Schild gefolgt bin. Aufgefallen ist das erst ein gutes Stück später, als partout keine Jakobsweg-4 auftauchen wollte. Zu spät, um noch umzukehren.
Damit hätte ich mir zwar einen Umweg und zusätzliche Höhenmeter eingefangen, gleichzeitig aber auch die Chance auf einen Besuch der Kapelle St. Niklausen. Die war die Extratour allemal wert, sticht sie doch aus der Menge der vielen anderen Kapellen deutlich heraus. Dass den Turm eine Einzeigeruhr ohne Datumsanzeige schmückt, ist eine weitere El-Camino-provides-Geschichte, die hier zu weit führen würde…
Danach ging es steil abwärts, über die Kapelle des Bruder Ulrich im Mösli kamen wir „von hinten“ an der unteren Ranft-Kapelle, wo wir auch wieder den echten Jakobsweg begrüßen.
Aber welcher Weg ist schon echt Jakob?
- Lt. offiziellen Wegweisern der „Nationalen Route 4“ (aka Via Jacobi) hätten wir irgendwo abbiegen müssen und hätten St. Niklausen „unterwandert“.
- Lt. offiziellem Wanderführer und Etappenkarte auf wanderland.ch waren wir hingegen genau richtig.
- Der (sehr gute!) Wanderführer aus dem Rother-Verlag und dessen GPS-Tracks widersprach wanderland.ch, stimmte aber mit den „echten“ Schildern überein und verzichtet auf St. Niklausen.
Historisch plausibler scheint mir die Niklausen-Variante. Ich habe keine Idee, warum die Beschilderung einen anderen Weg zeigt (und bin froh, dass ich ihn aus Versehen ignoriert habe).
El camino provides… tolle Gastgeber
Aus dem Tal krabbelten wir wieder nach oben; nach dem Ort der Stille empfing uns dort Flüeli-Ranft mit einem Ort des Luxus: Das Jugendstilhotel Paxmontana, das sehr schön, aber auch weit über unserem Budget liegt.
„Knapp daneben ist auch vorbei“, so sagt man. Das gilt auch für unsere Herberge: Knapp neben dem Paxmontana und kein Jugendstil, sondern Jugendunterkunft. Ich habe das Glück, das ganze Haus für mich (und Luis) allein zu haben: Große Küche, Aufenthaltsraum, große Terrasse mit Tal- und Seeblick, eigenes Bad und WC – eigentlich eine spartanisch möblierte Präsidenten-Suite zum Preis von drei Stanser Taschendönern.
Das Beste: Drei Generationen Gastgeber haben extra auf mich gewartet, um mich zu empfangen und uns in die Räumlichkeiten einzuweisen. Vielen Dank dafür!
El camino provides… eine gute Ausrede für ein großartiges Nachtessen
Leider hatten die meisten Restaurants Ruhetag oder aus anderen Gründen geschlossen, sodass ich „leider“ im Paxmontana speisen musste.
Meine Kleidung wollte so gar nicht zum gediegenen Ambiente passen, trotzdem fühlte ich mich sofort wohl: Das Personal war vorbildlich freundlich, im Hintergrund dudelte dezent Radio Swizz Jazz und mein Platz hatte einen grandiosen Blick auf abendrote Berge und Sarnersee.
Mit Alp-Käsecreme, einer Stange, Kalbsleberli mit Rösti, einem Dezi Roten und einem doppelten Espresso ging der Tag zu Ende und wir wieder in unsere „Präsidenten-Suite“. Es hätte schlimmer kommen können :-).
Sogar Luis bekam einen schicken Wassernapf und war (zeitweise) sehr beeindruckt von den Jugendstilstuhlbeinen.
Ausblick auf morgen
Morgen geht’s auf den Brünigpass. Davor werden wir der Käserei einen Besuch abstatten, wegen der wir überhaupt hier sind (>> Quo vadis 2019 – Entscheidung an der Käsetheke). Und unterwegs eine Pause einlegen, weil das aus Kalauer-technischen Gründen unbedingt notwendig ist.
Guten Morgen, vielen Dank für den mitreißenden Pilgerbericht und die schönen Fotos. Meinen Respekt – wie Ihr mit den Herausforderungen umgeht. 🙏🏻👏🏻 Ich freue mich auf die Fotos und Informationen aus der Käserei. Buen Camino auf Eurem Jakobsweg 🥾🎒🐶
Guten Morgen, vielen Dank für den mitreißenden Pilgerbericht und die beeindruckenden Fotos. Meinen Respekt – wie Ihr mit den Herausforderungen umgeht. 🙏🏻👏🏻 Ich freue mich auf die Fotos und Eindrücke aus der Käserei. Buen Camino auf Eurem Jakobsweg 🥾🎒🐶
Ich freue mich vor allem auf den Käse aus der Käserei ;-). Und wenn Luis ganz brav ist, lasse ich vielleicht an der Freude teilhaben….
„Camino Providers“, den Spruch kannte ich noch nicht, nur den Gedanken dahinter. Schöne Fotos hast du bisher gemacht. Ich wünsche euch noch einen guten und spannenden Weg, ultreia! 🙂