Früher Morgen, die Sonne scheint, keine Wolke am Himmel – wohin würde es an Tag 4 gehen? Die Antwort war alternativlos und führte zum Treffen mit „alten Bekannten“ – unter anderem der Kunst des Kartenlesens.
Erst musste die übliche Richtungsfrage geklärt werden:
- Nach Osten? Nee, hatten wir vorgestern (Schömberger Strand und so)
- Nach Westen? Waren wir erst gestern (Stichwort Laboe)
- Nach Norden? Äääähm, da liegt doch die See (und der mit dem übers Wasser gehen war nicht ich).
Ergo blieb nur der sonnige Süden.
Retro-Navigation
Bei der Urlaubsplanung hatte ich keine exzessiven Gassigänge vorgesehen, daher war ich navigationsmäßig unvorbereitet. Keine Tracks auf dem Garmin (und noch die Schweizer Topokarte drin, mit der man hier seeeehr weit daneben liegt).
Also zurück zur „guten“ alten Zeit und zum paper-based navigation device (oder „Wanderkarte“, wie man früher sagte). Selbige erstand ich kurz entschlossen in der Tour-Info und wenige Meter später: „Bye bye California“ und los nach Schönberg.
Schön und bergig nach Schönberg
Nach dem Deicheinerlei der Vortage war die heutige Strecke angenehm abwechslungsreich, selbst ein paar Höhenmeter waren eingebaut: Nach einem extrem herausfordernden Anstieg von 23 Metern war klar, warum mein erstes Zwischenziel Schönberg heißt.
Schönberg war schnell durchquert und der richtige Weg hinaus auch ohne GPS / Garmin schnell gefunden. Papier ist nicht nur geduldig, sondern immer noch wegweisend.
Bahn frei und bahnfrei nach Stakendorf
Karte und Weg wiesen nach Westen bzw. Stakendorf; zahlreiche Bäume erfreuten Herr und Hund: Ich freute mich über den angenehmen Schatten, Luis über artgerechte Anlässe zum Wasserlassen.
Auf halbem Weg erreichte ich den gleichnamigen Haltepunkt der Museumsbahn Schönberg.
Eine heimlich aufgenommenes Video dokumentiert das beeindruckende Verkehrsaufkommen:
Kongolesischer Kaugummiautomat
Stakendorf selbst ist ein sehr übersichtlicher, sehr langer Ort. Meine persönlichen Highlights:
- Ein alter Bekannter in Form eines gut gefüllten Kaugummiautomats, wie ich ihn das letzte Mal auf meinem Weg zur Grundschule gesehen habe. Mathematisch Begabte können ausrechnen, wie lange das in etwa her sein muss.
- Eine Bushaltestelle namens Kongo. Deshalb kann ich behaupten, innerhalb eines Tages vom Kongo und über Brasilien gereist zu sein – und das ohne Tausende Flugmeilen, sondern klimaneutral, kostenlos und zu Fuß.
Altbekannte Situation: Wissen Sie…?
Die Navigation in Stakendorf war einfach: Die einzig nennenswerte Straße nach links, hinter dem Dorfende durch die Unterführung der L 165 und dann direkt zum Naturschutzgebiet mit dem schönen Namen Schmoel…
Allein, da war keine Unterführung. Erst jetzt verriet mir die Karte: Es gab zwei nennenswerte Straßen in Stakendorf, und ich hatte die falsche erwischt.
Nicht nur ich: Eine einheimische Fahrradfahrerin erkannte meine Verwirrung, hielt hilfsbereit an – und fragte mich, wo es zum Naturschutzgebiet ginge. Das erinnerte an den Schweizer, der mich am Anfang der Schöllenenschlucht fragte, wie er am schnellsten durch das Gotthardmassiv käme.
Altbekannter Hund, Vogel und Seeblick
Hier wie dort konnte ich kompetent weiterhelfen und nach 500 Metern Radweg war auch mein Navigationsfehler behoben. Ich ich war wieder „on track“. Als kleine Belohnung durfte ich einen strohigen Riesen-Snoopy inklusive Woodstock bestaunen.
Kurz später hatte uns die Ostsee wieder:
Wir schwenkten westwärts auf dem Fußgänger-Richtung Schönberger Strand. „Highway“ passt in zweifacher Hinsicht:
- Wir nahmen den Weg oben auf der Deichkrone.
- Wir „reisten“ 50% schneller als auf normalen Wegen (u. a. auch, weil es auf dem Deich keinerlei zu beschnuppernder / markierende Bäume gibt).
Flens-Burger für den Endspurt
Seeluft macht hungrig, da kamen die Fischbuden am Schönberger Strand gerade recht. Als williges Werbungsopfer gönnte ich mir das gestern in Laboe beworbene nordische Zwei-Gänge-Menü: Flens(burger Pils und Garnelen)-Burger.
Damit war ich für den Endspurt gewappnet, nur noch drei Kilometer trennten mich von Kalifornien (und Luis von seinem Körbchen).
Zeitverschwendender Zeitraffer
Weil ich unerwartet gut in der Zeit lag, legte ich auf halber Rest Strecke noch eine kleine Pause ein, um das Treiben auf See und Promenade zu genießen.
Für Luis war’s eher kein Genuss: Sinnfreies Trödeln und Herumsitzen hielt ihn unnötig lange von seinem Körbchen fern. Also weiter.
Nach siebzehneinhalb Kilometer und 195 Minuten seit dem Start konnte er endlich korb sweet korb genießen. Und genießt ihn 520 Minuten später immer noch.