Endlich! Die 23. Etappe sollte uns an das Ziel bringen, dem wir seit über einem Jahr und 450 Kilometern entgegen wanderten. Zur Feier des Tages ignorierte ich den offiziellen Weg komplett und bahnte mir meinen privaten Neckarweg: Um zusätzliche Highlights abzuklappern, um eintönige Langeweile wie am Vortag zu vermeiden und um das „Neckarende“ intensiver wirken zu lassen.

Bilder, Highlights, Zahlen, Daten, Fakten am Ende dieses Artikels. Übersicht + alle GPS-Tracks für den Neckarweg hier. Alle Artikel der Kategorie “Neckarweg” hier.

Extratour Ladenburg — Benz-Museum — Ilvesheim
Die erste Extratour begann direkt am Start: Während der Neckarweg den Neckar Richtung Edesheim überquert, blieb ich am rechten Ufer, um dem Benz-Museum einen Besuch abzustatten. Der Besuch beschränkte sich auf das Äußere, weil das Museum nur an 3 Tagen pro Woche geöffnet hat und ich mit Luis sowieso nicht hinein gekonnt hätte. Vorteil des Tages der nicht-offenen Tür: Luis konnte sich unbehelligt für ein paar Erinnerungsfotos in Szene (bzw. in den Hof) setzen.

Als Folge meiner Extratour wanderten wir ein paar hundert Meter direkt neben einer viel befahrenen Landstraße, um dieser über den Neckarkanal zu folgen. Hier verlief der Weg etwas unterhalb der Straße und das war gut so: Mit einem Headset in den Ohren ließ sich der Straßenlärm problemlos ausblenden und der Blick auf die naturnahe Neckarschleife rund um Ilvesheim genießen. Am Ortsanfang von Ilvesheim wechselten wir wieder zurück Richtung Neckarkanal, der uns auf den nächsten Kilometern begleiten sollte.
Extratour Ilvesheim — Mannheim

Wir befanden uns nach wie auf Extratour: Während der offizielle Weg auf der linken Uferseite entlang führt, waren wir zwischen Neckar und Neckarkanal unterwegs — quasi auf einer ganz langen, ganz schmalen Insel. Durch den Kanal und seine Frachtschiffe wähnte ich mich einerseits in den Niederlanden. Andererseits erinnerte mich die Szene an die allererste Etappe von Schwenningen nach Deißlingen: Auch dort wanderten wir zwischen Neckar und Neckarkanal — allerdings um einige Dimensionen kleiner…



Unerwartet grün und naturnah und einsam wanderten wir „zwischen den Neckaren“ vorwärts, wechselten dann auf der letzten Brücke der Maulbeerinsel ans linke Ufer und hatten 2,5 km schnurgeraden Weg vor uns. Auf halber Strecke passierten wir den Fernmeldeturm und entdeckten ein blaues „N“: Zufällig waren wir wieder auf den offiziellen Neckarweg geraten.
Diesen verließen wir bald wieder über den Collini-Steg, der mit sehr viel Phantasie und gutem Willen an den Viaduc de Millau erinnert. (Norman Foster möge mir diesen Vergleich verzeihen.) Der offizielle Neckarweg zieht es hingegen vor, das Ufer 400 m später über eine stark befahrene Straßenbrücke zu wechseln.

Auf der rechten Neckarseite empfing uns eine beeindruckende „Wohnmaschine“ und ein breiter Grünstreifen direkt am Fluss. Wir gingen unaufhaltsam unserem Ziel entgegen, bis ein plötzlich einsetzendes Hungergefühl einen Abstecher ins „Hinterland“ verlangte.
Ich fand mich unversehens im Multikulti-Land mit kulinarischen Köstlichkeiten aus aller Welt wieder, entschied mich aber aus pragmatischen Gründen für einen Bäcker. Die dortige Verkäuferin beeindruckte durch ihre weltoffene Toleranz, mit der sie mich belehrte, dass es Laugenbrötchen und nicht Laugenweckle heißt. Traumatische, seit 25 Jahren verdrängte Erinnerungen an einen Bäckereifachverkäuferinnenberufschulausflug wurden wieder wach…
Extratour Mannheim — Finale

Um diese Erinnerungen schnell zu vertreiben, eilten wir zurück ans Neckarufer. Die letzte von 60 Neckarbrücken kam immer näher — und mit ihr die Gewissheit, dass das Projekt „Blaues N“ in einer guten halben Stunde Vergangenheit sein würde. Ein letztes Mal überquerten wir den Fluss, ein letztes Mal verließen wir den offiziellen Neckarweg, ein letztes Mal begaben wir uns auf Extratour.

Diese Extratour führte uns durch 2 Kilometer Industriegebiet mit Container-Terminals, Schrotthändlern, Kieswerken und chemischer Industrie. Wahrlich keine idyllische Route und keine typische Wanderroute, aber dennoch mit voller Absicht ausgewählt: Ich wollte unbedingt direkt an die Neckarspitze und direkt an die Stelle, wo Neckar- und Rheinwasser zusammentreffen. Auf dem offiziellen Weg wären wir am anderen Ufer an dieser Stelle vorbei gelatscht und hätten das Kap Finisterre des Neckarwegs nur aus der Ferne gesehen.

Ein Prellbock mit Haltesignal ließ mich wissen, dass nur noch wenige Meter vor mir lagen. Ich war zwiegespalten: Ungeduldig, um endlich anzukommen — aber auch zögernd, um diesen Moment auszukosten.
Doch alles zögern half nichts, wenige Meter später standen wir da:

Schluss. Aus. Finito.
Bilder dieser Etappe
(Draufklicken startet Galerie)
Die 4 Highlights dieser Etappe
- Benz-Museum Ladenburg: Wir mussten leider draußen bleiben, dennoch aus naheliegenden Gründen ein Highlight für den Autor. Ob Luis das auch so gesehen hat, kann ich nicht beurteilen.
- Maulbeerinsel: Die Insel war für mich eine der angenehmen Überraschungen. Ein sehr langes und handtuchschmales Naturschutzgebiet bietet entspanntes, abwechslungsreiches Wandern, wo ich es nicht erwartet hätte.
- + 4. Neckarmündung: Für den neutralen Beobachter (und vierbeinige Neckarwanderer) ist die Neckarmündung eigentlich unspektakulär: Wasser, ein paar Steine, ein roter Metallpfosten mit umgedrehtem Dreieck. Aus meiner nicht-neutralen Perspektive ist es trotzdem ein doppeltes Highlight: 1. die Location als solche. 2. die Tatsache, dass ich sie erreicht habe.
Zahlen, Daten, Fakten
- Streckenlänge: 15,4 km
- Höhendifferenzen: +44 / -52 m
- Bahnhöfe: Ladenburg / Mannheim Handelshafen
- Track hier als GPX-Datei oder hier als KMZ-Datei herunterladen
- Gesamtbilanz: 23 Etappen, 461 km, 11246 Höhenmeter, 60 Neckarquerungen, entspricht 78 Sochatoatn