Nach dem Jakobsweg ist vor dem Jakobsweg. Deshalb habe sofort nach der Rückkehr aus Fribourg den nächsten Urlaub eingereicht. Der Termin war sorgfältig ausgewählt und durchdacht — und doch ist wieder alles ganz anders. Wahrscheinlich wird die nächste Wanderwoche ziemlich Käse (und sehr wenig Jakob).
Anfang April hatten wir nach einer spektakulären Extremgassi-Woche Fribourg erreicht. Und noch vor der Rückfahrt, direkt am Bahnhof Fribourg, war meine Neugier auf mehr geweckt: Nicht Wanderland Schweiz, sondern La Suisse à pied — ob meine Füße (und Luis‘ Pfoten) einen Unterschied merken würden?
Mitte Juli schien mir ideal, um das herauszufinden: Die beste Ehefrau von allenDanke, Herr Kishon würde zwei Wochen außer Haus sein. Somit würde niemand auffallen, wenn ich mit Luis á pied und á patte in La Suisse unterwegs bin.
Was ist damals im April noch nicht ahnte: Die Abwesenheit der besten Ehefrau von allenDanke, Herr Kishon fiel unerwartet aus. Doch der Urlaub war schon eingereicht und gutgeheißen — da wollte ich meine Kollegen nicht durch unerwartetes Erscheinen am Arbeitsplatz verwirren.
Switzerland = Schwitzerland
Was ich im April ebenfalls nicht ahnen konnte: Im Juli ist es Sommer ist es heiß. Nach den Hitzschlachten vor und hinter dem Gotthard vor zwei Jahren (z.B. Via Gottardo von Erstfeld nach Wassen oder die letzte Etappe bis Faido) wollte ich das weder mir noch Hund zumuten.

Mitten im Hochsommer in die Westschweiz, um unbeschattet, topfeben geradewegs Richtung Süden an den Genfersee zu wandern? Keine gute Idee, wenn man auf das Wohlbefinden eines schwarzen Fellträger Rücksicht nehmen möchte.
Kurzzeitig hatte ich überlegt, mich in ganz andere (und höhere) Gefilde zurückzuziehen. Vielleicht die frisch erfundene und intensiv beworbene Bernina-Tour (5 Tage, mit Gepäcktransport)? Oder der Gotthard Tunnel Trail (fast direkt auf dem Gotthard-Basis-Tunnel wandern)?
Nee, irgendwie fühlte sich das alles „falsch“ an: Zu weit weg vom Jakobsweg und wanderbiografische Insellösungen (wo heute doch alles von Vernetzung spricht…). Es musste eine Alternative her, die mich vor dem hitzigen Jakobsweg fern hält, ohne zu weit abzuschweifen — ein „alternativer Jakobsweg“.
Die Alternative ist Käse
Da trifft es sich günstig, dass zwischen Fribourg und Genfersee der Sehnsuchtsort aller Käseliebhaber liegt: G-R-U-Y-E-R-E-S.
Um ehrlich zu sein: Bereits auf der letzten Etappe von Schwarzenburg nach Fribourg ahnte ich, dass es dazu kommen würde. Dort flüsterte mir ein Wegweiser ins Ohr, dass Gruyères quasi „auf dem Weg“ lag (wenn man sich den Weg nur lange genug zurechtbiegt).
Wo es einen Sentier des fromageries, eine Via Le Gruyère AOP (Englisch „The Cheese Trails“!) und einen Sentier du Lac de La Gruyère gibt, da kann man als fromagophiler Extremgassigänger nicht so falsch sein.
- Fun Fact 1: Seit Jahren esse ich Gruyére und will in den gleichnamigen Ort. Und erst seit heute weiß ich, dass der Käse (Le) Gruyère heißt, der Ort aber Gruyères. Finde den Unterschied.
- Fun Fact 2: Der kleine Unterschied macht das Homonym zum Homophon.
- Fun Fact 3: Von Roquefort nach Gruyère(s) hat es zwölf Jahre gedauert. Ich bin gespannt, wann ich in Gorgonzola, Camembert und Mozzarella sein werde.

Der alternative Jakobsweg oder: Via Caseus
Mein (derzeitiger) Plan:
- Tag 1:
Von Fribourg idealerweise am Ufer der Sarine entlang nach Rossens (ca. 20 km / 350 Höhenmeter).
Die einzige Unterkunft am Ort macht widersprüchliche Angaben und reagiert „zurückhaltend“ (im Sinne von „gar nicht“) auf Rückfragen. Ggf. muss ich per ÖV an einen anderen Ort transferieren und logieren. - Tag 2:
Wir starten in Rossens am nördlichen Ende des Lac de La Gruyère, der uns fast den ganzen Tag begleiten wird. Von seinem Südende sind es nur noch zwei Kilometer bis Gruyères (24 Kilomenter / 560 Höhenmeter).
Von hier an den Genfersee wird der Plan diffus: Wegen der dazwischen liegenden (besser: im Weg stehenden) Berge und wegen der Übernachtungsmöglichkeiten (sehr spärlich und/oder sehr teuer und/oder sehr kommunikationsscheu).
- Variante 1 (grün): Alpenpanorama-Weg Gruyères nach Les Paccots (Etappe 23, 16 km / 950 Höhenmeter) und weiter nach Vevey (Etappe 24, 19 Kilometer / 660 Höhenmeter)
- Variante 2: Über Moleson-sur-Gruyere (hellblau; 20 km / 800 Höhenmeter) nach Montbovon am Lac de Lessoc oder bequem und ebenerdig zum selben Ziel (gelb; 16 km / 200 Höhenmeter). Am nächsten Tag über den Col de Jaman, dann Abstieg nach Montreux mit einer zusätzlichen Zwischenübernachtung (16 km / 800 Höhenmeter).
- Variante 3: Wie bei Variante 2 nach Moleson-sur-Gruyere, aber ohne Abstieg nach Montbovon. Stattdessen Übernachtung in Allières und am nächsten Tag hinab nach Montreux (gelb oder hellblau oder beides — wie soll ich das noch erkennen?).
Der aufmerksame Leser erkennt: Variante 2 kostet uns eine zusätzliche Übernachtung. Spart aber trotzdem bares Geld, denn:
Lustiges Online-Spiel: The Lake Geneva Hotel Eraser
Bei der Übernachtungsrecherche habe ich ein tolles Online-Spiel entdeckt, und das geht so:
- Man wähle in einem beliebigen Hotel-Portal einen Kartenausschnitt von Montreux bis Lausanne aus (ca. 30 Kilometer dicht bebautes Seeufer).
Angezeigte Hotels: Unzählige.
- Man limitiere sein Budget auf 100 Euro.
Angezeigte Hotels: Ungefähr ein Fünftel.
- Man setze den Filter „Haustier erlaubt“.
Angezeigte Hotels: Null.
Kein Spiel, sondern Realität: Mit Hund und unserem Budget finden wir zwischen Montreux und Lausanne keine einzige Unterkunft — selbst wenn ich das Limit testweise auf 150 Euro (!) für das Einzelzimmer (!!) hochsetze.
Folglich kommen wir mit der zusätzlichen Zwischenübernachtung von Variante 2 am günstigsten davon:
- Wir übernachten nochmal auf halber Strecke zwischen Col dem Jaman und Montreux,
- vollenden den Abstieg am nächsten Morgen,
- gehen so weit wie möglich Richtung Westen und
- steigen irgendwo zwischen Vevey und Lausanne in den Zug nach Hause.
Der billige Jakob? Eher bei Jacques.
Kennt Ihr die Bezeichung „billiger Jakob“? Es hat mich überrascht, dass sie sich (indirekt) tatsächlich auf den Namensgeber der Via Jacobi beziehen soll (Erklärung u. a. auf Pilgern und Pilger).
Trotzdem: „Billig“ passt hier — am Genfersee — nun überhaupt nicht: Bei Lausanne träfe ich endlich wieder auf den Jakobsweg und richtges teures Pflaster, das sich bis nach Genf zieht. (Selbst das deutsche Finanzamt gewährt für Genf deutlich höhere Sätze für steuerfreue Übernachtungs- und Verpflegungspauschalen — und das will was heißen!)



Ist es bei einer künftigen Fortsetzung schlauer, ohne Jakob am französischen Ufer nach Genf zu wandern? Das hielte mich zwar weiterhin vom Jakobsweg fern, wäre aber deutlich günstiger. Sozusagen der Aldi unter den Genferseeuferpassagen oder die schwäbisch-sparsame Alternative zur Via Jacobi.
Somit würde das Ende der Schweizdurchquerung auf den Anfang verweisen: Der erste Teilabschnitt von Konstanz nach Einsiedeln heißt nämlich ganz offiziell: „Schwabenweg“ (» Ich bin dann mal (Schwaben)weg).
Doch bis dahin ist fließt noch viel Geld Wasser den Genfersee hinab. Wir konzentrieren und freuen uns jetzt erst mal darauf, von Fribourg mit viel Käse an den Genfersee zu kommen.