
Im Vorfeld betrachtete ich diese Etappe als notwendige Passage durch den hoch industrialiserten Mittleren Neckarraum, quasi als „Pflichtprogramm“ ohne große Erwartung an Landschaft und Sehenswürdigkeiten. Doch ich sollte angenehm überrascht werden und durfte einmal mehr feststellen: Neckarwandern bildet!
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Esslingen — Mettingen

„Von von Esslingen nach Mettingen“ war ein weißer Fleck auf meiner GPX-Karte. Deshalb hatte ich bereits zuhause eine Strecke direkt am Neckar ausgesucht. Erste Überraschung in der Realität: Bereits auf den ersten Metern strahlte mir ein blaues N entgegen — ich hatte also zufällig genau den richtigen Neckarweg ausgewählt.
Zweite Überraschung: Der Weg war eine relativ schöne Strecke, obwohl er eingeklemmt ist zwischen Eisenbahnstrecke und der „Wasserstraße“ Neckar. Dritte Überraschung: Genau bei „Kilometer 200“ des Neckarwegs weitete sich der handtuchschmale Grünstreifen zu einer angemessenen Szenerie für meinen „Jubiläumskilometer“.

Nach den angenehmen Überraschungen war Mettingen schnell erreicht, wo der Einfluss der nahegelegenen Großindustrie auf Menschen und Einzelhandel nicht zu verleugnen sind. Statt im lauschigem Schwabendorf fühlte ich mich wie im Ruhrgebiet oder einem Kölner Vorort — wenn im Hintergrund nicht die Weinberge gewesen wären.
Mettingen — Unter-/Obertürkheim

In diese Weinberge führte auch der Neckarweg. Die schwüle, windstille Sommerhitze kam den Reben offensichtlich ganz gelegen: Große Trauben reiften der Lese entgegen, während der Neckarwanderer schweißtreibende Höhenmeter hinter sich brachte. Dieser Höhengewinn war bald wieder verloren, denn schnell ging es hinab nach Untertürkheim und von dort weiter nach Obertürkheim. Es überrascht nicht, dass es zwischen „Unter-“ nach „Ober-“ stramm aufwärts ging.
Überraschend war für mich hingegen, dass in Obertürkheim wenig vom nahen Daimler & Co zu spüren war. Stattdessen viele Weingüter und Weinverköstigungen. Nachteil: Sie waren ausnahmslos geschlossen. Vorteil: Ich musste nicht mehrere Flaschen Spontankauf über die restliche Strecke schleppen ;-).

Obertürkheim — Grabkapelle Württemberg – Rotenberg
Die restlichen Strecke kannte zunächst nur eine Richtung: Nach oben. Am Ortsende gelegenen Obertürkheimer Friedhof konnten wir die Wasservorräte auffüllen (wenigstens für Luis, denn das gute Herrchen denkt an sich selbst zuletzt…), um dann den Höchst zu erklimmen. Als nächstes Zwischenziel grüßte die Grabkapelle auf dem Württemberg, nach eigenen Angaben
von König Wilhelm I. als ewiger Liebesbeweis für seine jung verstorbene Gemahlin Katharina erbaut. Vielen Liebenden gilt sie als romantischster Ort des Landes – mit einem herrlichen Blick auf das Neckartal bei Stuttgart.

„Romantischster Ort des Landes“? Naja. Unbestritten ist allerdings der herrliche Ausblick. Beeindruckend fand ich die zwei Gesichter des Panoramas: Richtung Südwesten die „Metropole“ Stuttgart — groß, laut, industrieller Speckgürtel. Richtung Nordosten endlose Weinberge — und dazwischen das kleine, ruhige, entspannte Dörfchen Rotenburg. Für jeden etwas — und eine schöne Belohnung für den hitzigen Aufstieg.

Rotenberg — Bad Cannstatt
Nach einer kurzen Panorama-Pause führte der Neckarweg auf die „ruhige“ Seite nach Rotenberg. Dort konnte ich — endlich — auch meinen Wasserhaushalt wieder in Ordnung bringen, um — endlich — bergab zu wandern. Zwischen Weinstöcken, Streuobstwiesen und Gärten erreichten wir auf verschlungenen Wegen die ersten Häuser von Bad Cannstatt.

Bad Cannstatt wird vom Neckarweg nur gestreift, wir hingegen mussten hinein ins Getümmel. Denn im Gegensatz zum Neckarweg wollten wir (heute) nicht nach Zazenhausen, sondern zur S-Bahn-Haltestelle. Das war nach Rotenberg wieder das volle Kontrastprogramm: Wohnblöcke mit 30er-Jahre-Charme an mehrspurigen Hauptstraßen… Nach einer halben Stunde „Urban Hiking“ und beginnendem Regen flüchteten wir in die Stadtbahn, die uns gerade noch rechtzeitig zur S-Bahn nach Esslingen brachte.
Bilder dieser Etappe
Die 4 Highlights dieser Etappe
- Fußweg am Neckar: Die Strecke von Esslingen nach Mettingen war für mich deshalb ein Highlight, weil ich mir nichts davon erwartet hatte. Mit Glück sieht man hier zum ersten Mal seit dem Neckarursprung ein „richtiges“ Schiff.
- Panorama und Grabkapelle auf dem Württemberg: Eine sehenswerte Anlage auf historischen Terrain und mit großartiger Aussicht in alle Himmelsrichtungen.
- Rotenberg: Abseits von der lärmenden Hektik der Schwaben-Hauptstadt herrschen hier Ruhe, Gelassenheit und Wein. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sich wie im Elsass oder Südbaden fühlen.
- Erkenntnisgewinn: Ich bin (immer noch) überrascht vom Kontrast zwischen Global-Player-Industrie und kleinflächig-lokalem Weinbau, die hier auf wenigen Metern zusammentreffen.
Tipps
- Besichtigung und Führungen der Grabkapelle: Für die Grabkapelle werden auch Führungen angeboten, worauf ich wegen Hund und Zeit verzichten musste. Infos hier.
- Wein, Wein, Wein: Allen veralteten Vorurteilen zum Trotz gibt es rund um Stuttgart auch feine Weine, die z. T. vorort verkostet werden können. Die Öffnungszeiten variieren stark, hilfreiche Infos (auch über Veranstaltungen) im Flyer zum Weinwanderweg Obertürkheim — Uhlbach — Rotenberg — Untertürkheim (z. Zt. hier als PDF herunterladen).
- „Rotenberger Weingärtle“: Ein kleines Restaurant mit herrlicher Terrasse und Blick über die Weinberge. Leider reichte es mir aus Zeitgründen nur zum schnellen „Sprudel-To-Go“, doch der sehr freundliche Service und die Speisekarte machen Lust auf mehr. „Roastbeefstreifen in Trollingersauce mit feinen Gemüsestreifen, frischen Kräutern und hausgemachten Spätzle“ — I’ll be back!
- Transfer zur S-Bahn: Die weite und wenig attraktive Entfernung vom Neckweg zur S-Bahn-Haltestelle Bad Cannstatt lässt sich mit der Stadtbahn schnell und bequem abkürzen (z.B. Linie U1 ab Haltestelle „Antwerpener Straße“ direkt am Neckarweg)
Zahlen, Daten, Fakten
- Streckenlänge: 15,3 km (einschließlich Extratour zur S-Bahn)
- Höhendifferenzen: +362 / -367 m
- Bahnhöfe: Wendlingen / S-Bad Cannstatt
- Track hier als GPX-Datei oder hier als KMZ-Datei herunterladen
- Gesamtbilanz: 11 Etappen, 213,7 km, 4469 Höhenmeter, 41 Neckarquerungen, entspricht 62,6 Sochatoatn
Hinweis für Statistik-Fans: Das war die erste Etappe ohne eine einzige Neckarquerung…